Eine österliche Frühlingsbotin mit besonderen Kräften
Eine österliche Frühlingsbotin mit besonderen Kräften

Eine österliche Frühlingsbotin mit besonderen Kräften

Es ist nun schon über 40 Jahre her (ich werde alt 😉), als ich beim Fussballplatz auf der Wiese ein Sträusschen für meine Mama zum Muttertag gepflückt habe. Damals war diese landwirtschaftlich genutzte Fläche übersät mit Schlüsselblumen.
Seit da sind die Bestände deutlich zurückgegangen. Trotzdem unterliegt die Schlüsselblume gemäss Informationen auf INFO FLORA (03/2023), nur in wenigen Kantonen der Schweiz einem Schutzstatus. Dies soll jedoch keine Aufforderung sein, diese wundervolle Blume hemmungslos zu pflücken. Achtsame Pflanzenfreunde sind sich stets bewusst, was Pflücken, Ausgraben, Ernten, etc. für die Pflanzen bedeutet.

Der Himmelsschlüssel...

…wie die Schlüsselblume auch genannt wird, findet in den alten Pflanzenschriften keine Erwähnung. Pflanzengeographische Gründe sollen dafür verantwortlich sein, denn unsere Schlüsselblume kommt in den südlichen Gefielden nicht vor.

Zwar gibt es im Süden von Italien oder Griechenland (von da sind ganz viele der alten Pflanzenschriften) auch gelbblühende Arten, doch haben diese keinen Eingang in die klassischen Abhandlungen gefunden.

Dafür wissen Pfarrer Kneipp, Pfarrer Künzle und die Heilige Hildegard etwas darüber zu berichten. Doch dazu später mehr.

Wo finde ich sie?

Aktuell habe ich das Gefühl, dass ich von Schlüsselblumen umzingelt bin, sie mich auf Schritt und Tritt verfolgen. Im Wald oder entlang von Wiesen leuchten mir die hübschen Blüten entgegen.

Heutzutage wird vor allem die «Echte Schlüsselblume» (Primula veris) und die «Hohe Schlüsselblume» oder «Waldschlüsselblume» (Primula elatior) naturheilkundlich genutzt.

Die Primula veris kommt auf feuchten, sonnigen Wiesen und in lichten Gebüschen vor, vom östlichen über Zentral- und Vorderasien bis nach Europa.

Die Primula elatior findet sich an feuchten Schattenlagen, Nordhängen und im Wald vom Kaukasus über den Ural bis zu uns.

Die Primula’s sind bis 25 cm hoch und haben einen kräftigen, kurzen Wurzelstock. Die Blätter sind auf der Unterseite behaart, grundständig, länglich bis eiförmig und runzlig mit welligem Rand. Die Blütenkelche sind gelb, bauchig aufgetrieben, mit kurzen breiten Zähnen besetzt und in Dolden zusammengefasst. Man lasse nicht seine Phantasie ob dieser Beschreibung durchgehen….

Grobe Unterscheidungsmerkmale der beiden: die Primula veris hat orangefarbene Flecken am Schlundrand und ist wohlriechend, wohingegen die Primula elatior geruchlos und gleichmässig gelb ist.

Magie und Brauchtum

Primula bedeutet die Erste (von «Primus», der Erste) und Veris wird mit Frühling übersetzt. Nomen est omen und die Primula veris schliesst als eine der ersten Frühlingspflanzen das Tor zum Frühling auf. Sie sieht ja auch etwas aus wie ein Schlüsselbund.

Wie viele der Frühlingspflanzen hat auch die Primula eine dämonenabwehrende Kraft. Bei Erkrankungen des Viehs – nach dem Volksglauben waren Dämonen dafür verantwortlich – soll man die Schlüsselblume an Walpurgis vor Sonnenaufgang pflücken, pulverisieren und dem Vieh geben. Das Aurikel, ein anderer Name der Schlüsselblume, hat auch einen Bezug zur Sonnenwend- und Frühjahrsgöttin Ostara. Bei den Germanen wurde sie Freya zugeordnet und spielte in der nordischen Mythologie eine wichtige Rolle als Blume der Nixen, Elfen, Undinen und Najaden/Nymphen.

«Der Himmelsschlüssel wärmt
hat all seine Kraft von der Sonne
wird bei Melancholie aufs Herz gebunden
vertreibet so die Gespenster des Winters.»

Hildegard von Bingen

Nochmals zurück zum Namen. Wie die meisten Heilpflanzen, hat auch die Schlüsselblume regional unterschiedliche Volksnamen, die Hinweise auf die Wirkung oder Anwendung geben. Da findet man die Bezeichnungen, Badenken, Aurikel, Bärenöhrchen, Gichtblume und Schlagkraut. Die letzten zwei Begriffe kommen gehäuft vor.

Der Name Gichtblume scheint offensichtlich auf gichtische Erkrankungen hinzudeuten. Und siehe da, im Mittelalter wurde die Schlüsselblume zur Behandlung von Gicht und Rheuma eingesetzt. Pfarrer Kneipp schreibt, dass wenn jemand eine Veranlagung zur Gliedersucht oder Gliederkrankheit hat oder bereits daran leidet, soll dieser längere Zeit täglich 1-2 Tassen Schlüsselblumentee trinken. Damit es auch schmeckt, wurde statt des Tee’s auch mal ein Schlüsselblumenwein getrunken. In dieser Zubereitungsform wurde sie auch als Schönheitsmitteln in der Frauenwelt hoch geschätzt.

Der zweite Volksname ist schon weniger eindeutig. Das Schlagkraut gibt man gegen das «blöde Haupt» oder demjenigen, den «der Schlag gerühret hat». Der Schlag ist eine alte Bezeichnung für den Schlaganfall, medizinisch Apoplex. Humoralmedizinisch wird der Schlagfluss als eine Stockung der Säfte, in diesem Fall das Phlegma, erklärt.

Weitere Anwendungen waren «verstopfte Nerven», Nervenschmerzen, Erkältungskrankheiten, Asthma, Keuchhusten, Migräne, Schwindel, Gliederzittern, zur Herzstärkung, gegen Geschwülste und Wunden. Pfarrer Künzle setzte die Schlüsselblume zur Förderung der Nierentätigkeit ein und um Harnsäure und Schleim auszuleiten.

Über alles gesehen scheint die Schlüsselblume viel mit Schleim zu tun zu haben. Doch warum ist das so? Diese Frage führt uns heutzutage unweigerlich zu den Inhaltsstoffen.

Inhaltstoffe und Wirkungen

Die Schlüsselblume ist gut untersucht und wird von diversen Stellen (Kommission E, ESCOP, HMPC) mit positiv Monografien bedacht, also als wirksam eingestuft.

Geerntet wird die Wurzel im Herbst und die Blüten mit Kelch im Frühjahr.

In den Wurzeln finden sich Saponine, Phenolglykoside, Flavonoide, Kieselsäure, Gerbstoffe und seltene Zucker, wie Heptose, Octulosen, Nonulosen.

Saponine, von «Sapo» Seife, haben seifenähnliche Eigenschaften, womit sie die Oberflächenspannung von Wasser heruntersetzen können. Öle können damit emulgieren und mit Wasser bilden sie Schaum, wie wir das von der Seife kennen. Im Pflanzenreich sind Saponine weit verbreitet; vermutet wird, dass dies auf der Keimhemmung beruht, die Pflanzen vor Pilzbefall und Insektenfrass schützen. Im Darm werden Saponine schlecht resorbiert, wodurch sie kaum toxisch wirken.

Die Blüten enthalten nur wenig Saponine, dafür umso mehr Rutosid (oder Rutin). Rutin lagert sich an den Gefässwänden der Venen an und wirkt stabilisierend. Rutin wird demzufolge bei chronischer Veneninsuffizienz, müden, schweren Beinen oder Spannungsgefühlen angewandt. Zudem enthalten sind Karotinoide, Spuren von ätherischem Öl und Rosmarinsäure.

Ein ganzer Blumenstrauss an Inhaltstoffen, die auch die unterschiedlichsten Wirkungen ergeben.

Neben den schon erwähnten kann die Schlüsselblume mit ihren Inhaltsstoffen bei Erkältungskrankheiten schleimlösend, schleimbewegend und auswurffördernd wirken und dies bis hinunter zu den Bronchien.

Besonders bei hartnäckigem Husten mit ungenügendem Auswurf sollte man an die Schlüsselblume denken und sie gerne mit anderen auswurffördernden Pflanzen kombinieren. Auch der chronische Husten älterer Menschen («Altershusten») profitiert von der Schlüsselblume.

Wie auch beim Giersch gibt es eine antientzündliche Wirkung durch Hemmung von COX-I und COX-II, wobei dazu eine spezielle Extraktionsform (Hexan) nötig ist.

Äusserst interessant finde ich die Tatsache, dass ein Blütenextrakt die Vermehrung humaner Rhinoviren (HRV) und RSV (Respiratory-Syncytial-Virus) hemmt und nachweislich eine antibakterielle Aktivität gegenüber Staphylococcus aureus, epidermis und Streptococcus pneumoniae im Atemtrakt zeigt.

Gerade in diesem Jahr (2023) wo viele Kinder unter dem RS-Virus leiden, kann die Schlüsselblume begleitend eingesetzt werden. Und die Blütenextrakte sind ausgesprochene Kindermittel und mit einer Dosierung von 0,5 bis 1,0 g Blütendroge pro Tag als Tee können auch die kleinsten Patienten unterstützt werden.

Für grössere Kinder und Erwachsene gibt es auch bewährte Fertigarzneimittel, wie z.B. Sinupret®. Eine schöne Kombination von Schlüsselblumen mit schwarzem Holunder, gelbem Enzian, Eisenkraut und Ampfer. Erhältlich sind sowohl Tabletten, Tropfen oder Sirup.

Insgesamt werden für die Schlüsselblume nur wenig Nebenwirkungen angegeben, vereinzelt können Magenbeschwerden oder Übelkeit auftreten, bei Primelallergie kann es Hautreaktionen geben.

Nicht nur in den Inhaltstoffe auch in den Zubereitungsmöglichkeiten ist die Schlüsselblume äusserst vielseitig: vom Tee (Infus, Dekokt, Mazerat), Tinktur/Extrakt, Urtinktur über Sirup oder Fertigarzneimittel (Kombinationspräparat) liegt alles im Bereich der Machbarkeiten.

Wenn man den Blick für die schönen Dinge des Lebens aus den Augen verloren hat und der Geist etwas stumpf geworden ist, kann der «Trank der Begeisterung» vielleicht Abhilfe verschaffen. Dieses schöne Rezept entstammt der Feder von Margret Madejsky und Olaf Rippe von Natura Naturans und ist dem wundervollen Buch «Heilmittel der Sonne» entnommen:

Selbermach-Tipp

Man nehme je eine kleine handvoll frische Blüten von

  • Gänseblümchen
  • Immergrün
  • Schlüsselblume
  • Veilchen und
  • Vergissmeinnicht

Alle Blüten in einem Topf mit 0,7 l Honigmet übergiessen, auf kleiner Flamme erhitzen und kurz aufköcheln lassen, dann sofort vom Herd nehmen und zugedeckt abkühlen lassen.

Danach abfiltrieren und in eine saubere Flasche abfüllen. Kühl aufbewahrt hält der Zaubertrank ein bis zwei Wochen.

Pro Tag genehmige man sich zwei oder drei Likörgläschen.

Wohl bekomms!

Hinweise:  Bitte beachte, dass alle Empfehlungen, Anwendungsmöglichkeiten u.s.w. sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt wurden. Sie ersetzen weder eine ärztliche Konsultation noch die individuelle Beratung durch seriös ausgebildete Naturheilpraktiker oder Therapeuten. Die Anwendung der Empfehlungen geschieht daher in Deiner eigenen Verantwortung und ich übernehme keine Haftung für Schäden oder Folgen irgendwelcher Art, die sich in irgendeiner Art der Anwendung der beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sollten. Bei den erwähnten Unternehmen habe weder Beteiligungen in irgendwelcher Form noch werde ich für Werbung bezahlt. Vor mir haben so viele Menschen schon über Pflanzen geschrieben und so fliesst deren Wissen in diese Artikel ein. Für eine detaillierte Quellenauskunft darfst Du Dich vertrauensvoll an mich wenden.